Europa verteidigt den Titel beim Solheim Cup
Team Europe: 14:14 „gewonnen“
Der Solheim Cup 2023 in Finca Cortesin begann für Europa mit einem Albtraum – und endete mit großen Emotionen und spektakulären Traumschlägen. 0:4 lag das im Vorfeld favorisierte Team Europe nach den Foursomes am Freitagvormittag zurück. Ein früher Schock, den die Mannschaft von Kapitänin Suzann Pettersen jedoch gut verkraftete. Europa kämpfte sich zurück und glich am Freitagnachmittag nach zwei überzeugenden Fourballs aus. 8:8 hieß es vor den zwölf entscheidenden Einzeln. 13 zu 13 am Sonntag nach 26 von 28 Partien.
Dann drehte eine Nordspanierin in Südspanien so richtig auf. Carlota Ciganda bezwang vor den Augen des spanischen Königs Felipe VI US-Star Nelly Korda, die Nummer drei der Welt, und sicherte Europa den entscheidenden 14. Punkt. Ihr mitreißender Endspurt vor Heimkulisse kreierte Momente, über die sich sogar US-Captain Stacy Lewis im Sinne des Damengolfs freute.
Auf dem Papier war das 14:14 ein Remis, doch Europa feierte dennoch. Als Titelverteidiger durften sie den Cup in Empfang nehmen – zum dritten Mal hintereinander. Suzann Pettersen schluchzte vor den Kameras, während sich die Spielerinnen mit Champagner bewaffneten, ihre spanische Heldin auf Händen trugen und am Ende dieses verrückten Thrillers den gläsernen Pokal in den andalusischen Himmel stemmten. Wir stellen die Protagonistinnen dieser 18. Ausgabe des Solheim Cup vor.
Carlota Ciganda
Die 33-Jährige aus Pamplona spielte in Andalusien ihren siebten Solheim Cup – und den ersten vor Heimpublikum. Mehr Motivation geht nicht. Die Nummer 28 der Golfwelt reiste in bestechender Form an, stand bei den Foursomes aber zunächst nicht im Aufgebot. Ciganda sah, wie die Kolleginnen baden gingen. Fortan spielte sie durch – und gewann alle vier Partien. Im Einzel lieferte sie sich einen hochklassigen Schlagabtausch mit einer der besten Spielerinnen der Welt, den sie mit fulminanten Birdies am Ende für sich entschied. Ausgerechnet ihr war es vor den Augen des spanischen Königs vorbehalten, den entscheidenden Putt zu lochen.
Caroline Hedwall
Als Europa 2013 in Colorado einen historischen Auswärtssieg verbuchen konnte, war die Schwedin absolute Leistungsträgerin. Zehn Jahre später runzelten nicht wenige Golfexperten die Stirn, als Pettersen die Nummer 121 der Welt als Captain‘s Pick aus dem Hut zauberte – um sie dann in den ersten drei Sessions auf die imaginäre Bank zu setzen. Die Schwedin verlor ihre einzige Team-Begegnung an der Seite von Anna Nordqvist, rechtfertigte dann aber ihre Nominierung mit einer spektakulären Aufholjagd gegen Ally Ewing. Lag 3 down bei nur noch sechs ausstehenden Bahnen – erkämpfte sich aber einen enorm wichtigen Punkt für ihr Team mit einer unglaublichen Birdie-Serie. "Irgendwo habe ich einfach die Kraft gefunden und es geschafft, das zu Ende zu bringen, und ich bin wirklich stolz auf mich“, erklärte sie. Und das zurecht.
Emily Kristine Pedersen
Noch so ein Captain’s Pick, für den Pettersen nicht nur Beifall bekam. Auch die Dänin, als Nummer 122 der Weltrangliste gelistet, hat eine erfolgreiche Vergangenheit im Solheim Cup. Ihr letztes Top-Ergebnis auf der Tour liegt allerdings weit zurück. Und dann das: Pedersen spielte alle Partien – und das durchaus erfolgreich. Sie entwickelte sich zu einer unerwarteten Leistungsträgerin, auch wenn das am Ende unbedeutende letzte Einzel gegen Lexi Thompson verloren ging. Doch zu diesem Zeitpunkt knallten ohnehin schon die Korken. Besonderes Highlight: Lochte am Freitagnachmittag auf der zwölften Bahn zum überhaupt erst zweiten Ass in der 33-jährigen Turniergeschichte.
Lexi Thompson
Die 28-jährige aus Florida reiste als 138. der LPGA-Saisonwertung nach Spanien. Ihre Formschwäche beschäftigte zwischenzeitlich auch Stacy Lewis, die sie zunächst als Ergänzungsspielerin einplante. Doch Thompson traf in den Proberunden den Ball aber so imposant, dass Lewis sie kurzerhand ins Rennen schickte. Trotz einer Niederlage spät am Samstag, die sie mit einem Socket auf dem 18. Grün besiegelte, war auf die Major-Siegerin Verlass. Fragen zu ihrem kuriosen Fehlschlag wiegelte sie in der Pressekonferenz etwas schroff ab. Nicht ganz korrekt aber irgendwie verständlich, wer redet schon gern über ein Socket.
Suzann Pettersen
Ließ bei der Nominierung der vier Captain’s Picks die Nummer 51 der Golfwelt zu Hause und nominierte stattdessen die Nummer 121 und 122. Musste sich im Anschluss viel Kritik anhören. Setzte im speziellen Foursome-Format auf zwei Rookies in der ersten Gruppe und bewies auch mit der Paarung Georgia Hall und Celine Boutier kein glückliches Händchen. Machte aber auch vieles richtig. Zum Beispiel, ihre Gewinnermentalität auf die Mannschaft zu übertragen und ein Team wieder aufzurichten, dass nach dem historischen Fehlstart angeschlagen auf dem Boden lag. Weinte am Ende vor Glück und war voller Stolz, dass sie ihre Erfolgsgeschichte in diesem Wettbewerb auch als Kapitänin fortsetzen konnte.
Megan Khang
Megan Khang ist erst 25, aber bereits seit 2016 unter den besten 100 der Weltrangliste platziert. Die Amerikanerin reiste mit dem Rückenwind ihres Premierentitels auf der LPGA Tour nach Spanien und dreht auch in Finca Cortesin auf. Holte 2,5 Punkte in drei Team-Begegnungen und sicherte ihrem Tema den ersten Punkt des Tages in den Einzeln. Lag nach 18 Löchern bei sechs unter Par und fabrizierte nicht einen Schlagverlust. Da hatte selbst die so groß aufspielende Linn Grant nichts mehr entgegenzusetzen.
Linn Grant
Es hat eine gewisse Aussagekraft, wenn einen die Kapitänin am Sonntag als erste in die Einzel schickt. Linn Grant bekam von Captain Pettersen das Vertrauen geschenkt und lieferte sich ein hochklassiges Match mit Khang. Dass sie das enorme Tempo ihrer Kontrahentin nicht ganz mitgehen konnte, lag auch daran, dass die Schwedin bereits zum fünften Mal seit Freitagmorgen auf dem Platz stand. Ihr Spiel war einfach zu stark, um darauf zu verzichten. Man wird den Verdacht nicht los, dass die 24-Jährige aus Helsingborg auch in Zukunft eine tragende Rolle spielen wird.